Wednesday 12 September 2012

Vietnam

Die letzten Wochen waren eine schönsten auf meiner Reise. In HCMC/ Saigon, der wirtschaftlichen Hauptschlagader Vietnams, bin ich erstmal Millionen Mopeds empfangen worden. Das Land bewegt sich fast ausschliesslich auf Zweirädern fort, motorisiert natürlich, da niemand unnötigerweise schweißtreibenden Betätigungen nachgehen mag. So groß die Unterschiede zwischen Nord- und Südvietnam auch sein mögen (im fortschrittlichen HCMC sind alle supergucci und tippen ständig und überall auf ihren iPhones, iPads und sonstigen NetzGeräten herum, während die Einwohner ab ungefähr Landesmitte putzig unter ihren traditionellen Dreiecks-Bambus-Hüten hervorlugen), das Moped vereint die Nation. Vom Anblick dieser oft absurd überladenen Maschinen, auf denen ganze Familie, Suppenküchen und Hühnerfarmen Platz finden, kann ich gar nicht genug kriegen.

Die Vietnamesen selbst sind recht aufgeschlossen und versuchen ständig, mit Westlern ins Gespräch zu kommen, um Englisch zu lernen. Das kann mitunter recht anstrengend sein, wie im Falle einer meiner Couchsurfing-Bekanntschaften, mit der ungefähr jeder dritte Gesprächsfaden meinerseits mit einem lächelnden, Verständnis heuchelnden Kopfnicken beendet werden musste, da trotz mehrfachen Nachfragens einfach nicht auszumachen war, was mir die Lady sagen wollte. Oder überraschend bzw. ein wenig peinlich, wenn sich 18jaehrige Schülerinnen zu mir an den Tisch setzen, nachdem ich sie, ohne jegliche Hintergedanken (!), etwas gefragt habe. Schließlich gibt es auch noch eine andere, vermutlich finanziell motivierte Art der Aufgeschlossenheit, praktiziert von allein herumschlendernden Damen, die mich angesprochen haben und wissen wollten, woher ich denn kommen würde etc. Bei der sich dann daran anschliessenden Konversation sind sie allerdings nie wirklich zu dem von mir vermuteten Punkt gekommen, so dass ich immer noch nicht ganz sicher bin, ob die nicht doch einfach nur quatschen wollten. Ganz schön perfide das, da ist mir das direkte Angebot einer "Special Massage" irgendwie lieber, da weiß ich wenigstens gleich, woran ich bin.

Die vietnamesische Küche, auch die darf natürlich nicht fehlen in meinem Reisebericht, ist ganz famos. Alles superleicht und ausgewogen, Jing und Jang: jede Speise deckt im Idelafall nicht nur sämtliche Geschmacksrichtungen, also scharf-Süß, bitter-fruchtig, würzig-mild ab, sondern beinhaltet auch die unterschiedlichsten Konsistenzen. Das heißt, dass sich in einem Nudelgericht (Nudeln=weich) immer auch noch was Krosses befindet, z.B. crispy Chicken oder crispy ricepaper-irgendwas. Und überhaupt Ricepaper: Vietnam ist ein Paradies für alle Weißmehl- bzw. Glutenallergiker, da die Beilagen ausschließlich aus Reiserzeunissen bestehen, also entweder Reis-Reis oder Reisnudeln. Außerdem toll: es gibt immer jede Menge Kräuter dazu, d.h. verschiedene Arten von Basilikum, Petersilie, Minze und allerhand Grünzeugs, dessen Namen ich nicht mehr auf die Reihe bekomme.

Außerdem toll 2: man kann an jeder Straßenecke bedenkenlos auf einem Plastikstuhl Platz nehmen und sich für einsfuffzig sattfuttern, ohne hinterher wieder eine Woche lang Antibiotika gegen Durchfall nehmen zu müssen. Zumindest ich kann das, aber das liegt vielleicht auch daran, dass mein Magen im Laufe der Zeit mit seinen Aufgaben gewachsen ist. Und so habe ich mich natürlich auch in Vietnam gern zum Essen auf der Strasse aufgehalten. Einen Streetfoodguide gibt es diesmal aber nicht;)

Soweit mal dazu. Eigentlich wollte ich ganz zu Anfang schon schreiben, dass Vietnam auch deswegen zu den bisherigen Höhepunkten meiner Reise zählt, weil ich hier so viele tolle Leute getroffen und mit vielen davon mehr Zeit verbracht habe als nur den üblichen Travellersmalltalk "wo kommst du her, wie lange bist du schon unterwegs, wo geht's als Nächstes hin?" Und so habe ich mich treiben lassen und bin ich mit jungen Vietnamesinnen auf dem Moped durch die Nacht gerauscht, habe mit Werder-Fans über die Zukunft und den Sinn des Lebens philosophiert, war mit indisch-britischen Lebemaennern und -Frauen clubben und bin mit amerikanischen Werbe-Filmproduzenten abgestürzt. Nun habe ich schon eine Einladung für eine Silvesterparty in Amsterdam, eine weitere für eine Kubareise im Januar, habe neue Bekannte in London, New York, Berlin, Singapur und und und. Irgendwie habe ich jetzt erst so richtig angefangen mit dem Reisen und letztens sogar mein Debüt in einem 6USD Schlafsaal-Bett gegeben. Natürlich eigentlich nicht gross der Rede Wert, für meine Verhältnisse aber recht waghalsig.

Das alles bedeutet allerdings nicht, dass ich meine Reise nun ewig fortsetzen werde. Denn trotz allem packt mich so langsam doch das Heimweh.

Wie dem auch sei, als fotografische Beilage gibt diesmal einfach ein paar Bilder von netten Menschen, mit denen ich in letzter Zeit zusammen war, leider - wie gewohnt - ohne Kommentar oder Untertitel.

Und wenn ihr in den nächsten Wochen nichts von mir hören werdet, dann liegt das ausnahmsweise mal nicht an meiner Schreibfaulheit, sondern daran, dass ich der Zensur zum Opfer gefallen sein werde. Denn mein nächstes Reiseziel ist gelb und groß und nimmt es mit der Meinungsfreiheit nicht so ganz genau. Wobei ich das jetzt schon wieder korrigieren muss, nur bis gestern war das naemlich mein nächstes Reiseziel. Jetzt habe ich wieder jemand nettes kennen gelernt und meine Route erneut umgeschmissen. Daher neues nächstes Reiseziel: Laos. Nächste Woche dann vermutlich erst China.

Bis denne dann!